Wahrnehmungswirklichkeit

Ist die Welt gut und wendet sich alles zum Besten? Oder ist die Welt schlecht und alles wird immer schlimmer? Wie wir die Welt wahrnehmen und wie sehr unser eigenes Handeln dabei eine Rolle spielt, ist eine Frage, die den Menschen umtreibt, seitdem er komplexere Themen kognitiv verarbeiten kann. Dazu gibt es keine eindeutige Wahrheit, sondern nur eine wahrgenommene Wirklichkeit, die davon beeinflusst wird, in welchem Umfeld eine Person aufwächst, in welchen Traditionen sie verhaftet ist und Erfahrungen sie gemacht hat.

Ausdifferenzierung der Wahrnehmung

Zumindest im Hinblick auf die gesellschaftliche Anerkennung hat sich durchgesetzt, dass Optimus per se zu bevorzugen, Pessimismus hingegen abzukanzeln sei. In meinen Augen ist diese Einteilung jedoch nicht richtig beziehungsweise zu eindimensional.

Für eine Beurteilung ist es wichtig Optimismus und Pessimismus weiter auszudifferenzieren. Ich schlage vor, von positivem und negativem Optimismus sowie negativem und positivem Pessimismus zusprechen. Diese sollen anhand der Matrix konstruktiv/destruktiv und Fremdbestimmtheit/Autonomie bewertet werden.

Die vier Typen der Weltwahrnehmung

Schauen wir uns zunächst den Optimismus an. Optimisten gehen grundsätzlich davon aus, dass die Welt gut ist und sie noch besser wird. Was sind dann negative beziehungsweise positive Optimisten?

Positive Optimisten sind das, was landläufig einfach Optimismus genannt wird. Die Welt ist gut, und alles wird noch besser. Aber was heißt das konkret? Der positive Optimist nimmt Elend hin, weil es ja weniger ist als zu einer anderen Zeit (beispielsweise „früher“), und glaub zugleich an einen Fortschritt. So ist es egal, ob er sich engagiert, oder nicht, es wird ja alles gut. Der positive Optimist bleibt passiv und lässt sich zugleich zu, dass andere definieren, was Fortschritt ist. Fortschritt sind dann nur Kennzahlen, die sich verändern, nicht aber etwas, das in der Definition des Optimisten liegt.

Was ist im Gegensatz dazu ein negativer Optimist? Ein negativer Optimist zweifelt daran, ob etwas wirklich gut ist, es muss immer besser werden. Er stellt immer wieder in sein eigenes Koordinatensystem in Frage. Letztlich ist er ein Getriebener seiner Ansprüche, es entwickelt sich entweder ein Burnout oder Gier. Letztlich entfaltet der positive Optimist eine destruktive Wirkung, da er kein Maß des „genug“ kennt.

Ein negativer Pessimisten geht von einer schlechten Welt aus und glaubt, dass die Welt immer schlechter wird. Aufgrund der wahrgenommenen Unvermeidlichkeit des Niedergangs ist sein einziger Antrieb, nicht etwas einfach hinzunehmen, sich seinem Schicksal zu ergeben, sondern aktiv an dem Niedergang zu arbeiten.

Was ist dann schließlich ein positiver Pessimist? Der positive Pessimist erkennt eine Schieflage, geht davon aus, dass es etwas schlecht ist. Er steckt aber nicht den Kopf in den Sand, nimmt es als Schicksal an, oder arbeitet gar daran, dass es noch schlechter wird, sondern er ist überzeugt davon, dass durch sein Handeln eine Verbesserung erzeugt werden kann, er ist aktiv. Er definiert Fortschritt als die Abwesenheit von etwas Schlechtem oder Negativen.

Positiver Pessimismus als Grundhaltung des Aktivismus

Letztlich ist der erfolgreichste Aktivist der positive Pessimist, da er einen Antrieb hat, etwas aus seinen Augen Schlechtes zu verbessern und dabei sein eigenes Handeln als etwas selbstbestimmt Positives wahrnimmt.